Sie sind hier:

Neue Perspektiven auf ein 600 Jahre altes Objekt

(v. l. n. r.) Senatorin Eva Quante-Brandt, Melf Grantz (Stadt Oberbürgermeister BHV), Dietrich Schütte (1. Vorsitzende des Fördervereins Deutsches Schiffahrtsmuseum e.V. und 2. Vorsitzender Kuratorium zur Förderung des DSM), Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner (Präsident der Leibniz-Gemeinschaft) und Prof Dr. Sunhild Kleingärtner (Geschäftsführende Direktorin)
(v. l. n. r.) Senatorin Eva Quante-Brandt, Melf Grantz (Stadt Oberbürgermeister BHV), Dietrich Schütte (1. Vorsitzende des Fördervereins Deutsches Schiffahrtsmuseum e.V. und 2. Vorsitzender Kuratorium zur Förderung des DSM), Prof. Dr.-Ing. Matthias Kleiner (Präsident der Leibniz-Gemeinschaft) und Prof Dr. Sunhild Kleingärtner (Geschäftsführende Direktorin)

Die berühmte "Bremer Kogge" von 1380 im Deutschen Schiffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für deutsche Schifffahrtsgeschichte (DSM) erstrahlt seit gestern (14.03.2017) in neuem Glanz. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Dr. Matthias Kleiner, der Bremer Wissenschaftssenatorin Prof. Dr. Eva Quante-Brandt und Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Granz eröffnete die Geschäftsführende Direktorin des DSM, Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner, die neue Ausstellung rund um das 23m lange mittelalterliche Schiff in der dreistöckigen Kogge-Halle des DSM.

"Mit der Umgestaltung der Kogge-Halle ist ein Meilenstein auf dem Weg des neuen DSM in die Zukunft erreicht!", freut sich Kleingärtner. "Jetzt können unsere Besucherinnen und Besucher die Kogge wieder erleben. Es wird daran sichtbar, wie sich das DSM in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird."

Lebendige Forschung am Objekt im Mittelpunkt

Die "Bremer Kogge" von 1380 ist das besterhaltene Handelsschiff des europäischen Mittelalters – ein Kulturerbe von internationalem Rang. Ihr Fund in der Weser im Jahr 1962, der Ausgangspunkt für die spätere Gründung des DSM, war eine Weltsensation und von hoher Bedeutung für die Wissenschaft. Die Schiffskonservierung repräsentierte das erste unterwasserarchäologisch geborgene Großobjekt in Deutschland.

Leibniz-Präsident Kleiner zeigt sich begeistert: »Das DSM und die anderen sieben Forschungsmuseen sind ein ganz besonderes Juwel, sie bieten der Leibniz-Gemeinschaft eine einzigartige Schnittstelle mit der Öffentlichkeit, um ihre gesellschaftsrelevanten Themen zu kommunizieren.« Den interessierten Besucherinnen und Besuchern werde nahegebracht, was ›Forschung‹ bedeutet, nämlich eine strukturierte Abfolge von Fragestellung und Erkenntnisgewinn. Sie können aktiv dazu beitragen und nachvollziehen, wie er zustande kommt.

"Das Museum als Schaufenster der Meeresforschung macht Forschung transparent", betont Wissenschaftssenatorin Quante-Brandt: »Die Umsetzung der Neugestaltung der Ausstellungen am DSM wird jetzt sichtbar. Das ist ein wichtiges und positives Signal für den Wissenschaftsstandort des Landes Bremen. Die Neukonzeption wird durch ausgezeichnete Forschung unterlegt. Mit der hohen Qualität von attraktiven Ausstellungen werden sicher viele Besucherinnen und Besucher den Weg ins Deutsche Schiffahrtsmuseum finden."

Auch die neue DSM-Ausstellung zeichnet sich durch eine enge Verknüpfung mit aktuellen Forschungsprojekten aus. Durch die semi-permanente Ausstellungsgestaltung wird es in Zukunft zudem möglich sein, neueste Erkenntnisse zeitnah in die Präsentation einzubinden. Das kann eine thematische Erweiterung oder das Einbringen neuer Exponate bedeuten – aber auch, je nach Forschungs-disziplin und Vermittlungsidee, virtuell erfolgen. Eine flexible »Doktorandenvitrine« wird mit dem Thema Schiffsversicherungen starten.

Aktualität und Dynamik von Forschung in Ausstellungen zu transferieren, ist eine Herausforderung, da diese normalerweise ein sich nur langsam veränderndes Medium sind. Deshalb werden in den neuen Ausstellungen des DSM gezielt alle Ebenen soweit als möglich und sinnvoll dynamisiert und flexibilisiert: Objekte, Texte, Bilder, digitale Medien befinden sich in einem ständigen, erkenntnisgeleiteten Wandel.

Neue Ansätze der Vermittlung durch dynamische Ausstellungskonzeption

Im Zentrum der neuen Ausstellung steht aber weiterhin das ikonografische Schiff in seinem unfertigen Zustand – genau an dem Standort in der Mitte des Raumes, der, bevor er Museumsraum wurde, Werkstattraum für das Zusammensetzen der Kogge war. Diese kann nun auf drei Ebenen sehr nah umrundet und ihren Spuren vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert verfolgt werden:

  • Im Erdgeschoss ("Materialität") geht es um den Schiffskörper und die verwendeten Materialien. Die Besucherinnen und Besucher laufen in Augenhöhe direkt auf die hölzerne Bordwand der Kogge zu. Sie erfahren alles Wichtige zur Bergungs- und Konservierungsgeschichte, über aktuelle präventive Konservierungsmethoden und über den Schiffbau im Mittelalter.
  • Im Mittelgeschoss (»Interessen«) schauen sie in den voluminösen Laderaum und stellen sich die Frage, was und wer eigentlich mit der Kogge transportiert wurde. Wohin gingen die Reisen, und wie war der Alltag an Bord? Es geht um den historischen Kontext der Kogge und um die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen, die mit ihr verbunden wurden.
  • Im Obergeschoss (»Wahrnehmung«) herrscht der größte Abstand zum Objekt. Die Kogge wird zum Symbol und zur Marke. Es wird thematisiert, wie unterschiedlich sie im Laufe der Zeit rezipiert wurde, welche Rolle sie in den verschiedenen Epochen als Symbol und Mythos gespielt hat und welche Legenden es zur Kogge in Wissenschaft und Populärkultur gibt.

Mit neuen Sichtweisen, Vermittlungs- und Präsentationsformen wird die Ausstellung für möglichst viele Besuchergruppen attraktiv gemacht. So können beispielsweise mittels neuer Hands-On-Modelle Inhalte rund um die Kogge durch interaktives Erleben begriffen werden, u. a. mit dem FARO-Messarm zur digitalen Vermessung von Objekten oder einem nachgebauten mittelalterlichen Gangspill. An anderer Stelle können die Besucherinnen und Besucher Fragen stellen, die dann auf die Kogge projiziert werden. Um Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zur Ausstellung zu erleichtern, wurden sowohl bauliche als auch vermittlungstechnische Maßnahmen ergriffen, z. B. ein taktiles Leitsystem auf dem Fußboden, mit dem Rollstuhl unterfahrbare Vitrinen, ein Audioguide und Tastmodelle für Blinde sowie ein Audioguide in Leichter Sprache.

Das neue DSM setzt Kurs auf die Zukunft

Zukünftig steht das Museum für eine dynamische, richtungsweisende Synthese von Ausstellen, Forschen und Vermitteln unter dem Oberthema »Mensch & Meer«. Die Verbindungen von Schiffen, Mensch und Meer, die Verflechtungen der maritimen Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft werden sichtbar und lebendig gemacht.

Ozeane und Meere sind der größte Lebensraum des Planeten und als solche eines der wichtigsten Zukunftsthemen auf der weltweiten Agenda. Das DSM nähert sich ihnen allerdings nicht als Kultur- oder Naturraum, wie die meisten Einrichtungen der Meeresforschung. Vielmehr stellen die Schiffe das Bindeglied zwischen Menschen/Kultur und Meer/Natur dar. Sie sind der unmittelbare materielle Ausdruck für die vielfältigen Beziehungen der Menschen mit dem Meer. Diese Beziehungen haben eine lange Geschichte, sie sind vielfältig und betreffen jeden. Viele Themen, die heutzutage die internationalen Debatten bestimmen, werden über diesen Zugang betrachtet: Globalisierung, Waren- und Wissenstransfer, Klimawandel und Ressourcennutzung. Das DSM ist die einzige wissenschaftliche Institution in Deutschland, die sich auf diese Verbindung spezialisiert hat. Die Forschung ist dabei objektbezogen. Es werden nicht ausschließlich Schriftquellen und Texte ausgewertet, sondern die dreidimensionalen Objekte in die Forschung einbezogen. Und von den Objekten und ihren Biografien wird dann zurückgeschlossen auf die Haltungen der Menschen zu einer bestimmten Zeit.

Hochkarätig besetzte Expertenrunde zur Eröffnung

Ganz in diesem Sinne bildete die Eröffnung der Kogge-Halle zugleich den Auftakt einer neuen Reihe von Podiumsgesprächen der Leibniz-Forschungsmuseen, deren Ziel es ist, gesellschaftsrelevante Aspekte historisch reflektiert unter Beteiligung von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit zu disku-tieren. Die Themen leiten sich aus den Forschungsschwerpunkten des Museums und den Fragen an ihre Objekte ab. Die erste Ausgabe widmete sich dem Thema »Das Schiff: Objekt – Symbol – Mar-ke«: Die Museumsmacherinnen Dr. Patricia Rahemipour (Botanischer Garten und Botanisches Mu-seum Berlin) und Prof. Dr. Ruth Schilling (Deutsches Schiffahrtsmuseum/Universität Bremen) disku-tierten mit dem Markenforscher Prof. Dr. Kai-Uwe Hellmann (TU Berlin) und dem Mediävisten Prof. Dr. Matthias Puhle (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) darüber, ab wann, warum und durch wen Objekte zu Symbolen und Marken werden.

Feierlichkeiten dauern eine Woche

Um sich bei den Besucherinnen und Besuchern für ihre Geduld während der mehrmonatigen Sanie-rungsarbeiten zu bedanken und seine Verbundenheit mit Stadt und Region zu dokumentieren, startet das DSM direkt im Anschluss an die Eröffnung eine "Kogge-Woche":



15. MärzTag der Inklusion(freier Eintritt für Menschen mit Beeinträchtigungen)
16./17. MärzTage der Zukunft(16. März freier Eintritt für Schüler/innen aus Bremen)
(17. März freier Eintritt für Schüler/innen aus Bremerhaven und Niedersachsen)
18./19. MärzTage der Familien(freier Eintritt für alle!)

Auch im weiteren Verlauf des Jahres steht die ›Bremer Kogge‹ im Mittelpunkt der Aktivitäten des DSM – mit Tagen der offenen Tür, Kogge-Specials, einer Geschichtswerkstatt, Vorträgen, Familienaktionen und einer Wanderausstellung für Kinder, die ab Herbst ihre Reise durch die Republik antreten wird. Das Programm im Einzelnen entnehmen Sie bitte unserer Homepage (www.dsm.museum). Alles Wissenswerte und aktuelle Ankündigungen zur "Bremer Kogge" und zur neuen Ausstellung finden Sie auch auf unserem Kogge-Blog (kogge.dsm.museum) oder bei Facebook (facebook.com/LeibnizDSM).